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Pfarrer Markus Söffge - Predigt am 21. Februar 2021
Pfarrer Markus Söffge - Predigt am 21. Februar 2021
# Impulse
Pfarrer Markus Söffge - Predigt am 21. Februar 2021
Liebe Gemeinde,
am heutigen ersten Sonntag in der Passionszeit, steht das Thema „Versuchung“ im Vordergrund. Es gibt niemanden, der damit noch nie umgehen musste – das zuzugeben und sich dieser Tatsache zu stellen, ist wesentlicher Ansatz der Fastenzeit. Dabei fängt es oft ganz harmlos an
Beim Essen und Trinken – einige Beispiele
(im GD mit Bildern verbunden)
1 mit Schokolade, z.B. von der ein namenhafter Hersteller behauptet er hätte die zarteste Versuchung geschaffen, seit es Schokolade gibt;
2 Schokoladenkuchen / Süßigkeiten;
3 Chips und Salzigkeiten / Essen;
4 Bier und jede Art von Alkohol
In den letzten Jahren zur Dauerversuchung geworden
5 Jungs am Handy – Pokemon;
6 Mädchen am Handy;
7 Social Media (facebook, instagram) auch Erwachsene;
8 Computerspiel - zocken
Dann der ganze Bereich von Mode und Konsum
9 Turnschuhe – Markenklamotten;
10 Chanel / teurer Schmuck, Markenuhren;
11 Ferrari – teure Autos / Monaco Yachten
Der Traum – der Reiz von Geld und Reichtum
12 Dollarnoten;
13 Börse
Oder nach ewiger Fitness und Schönheit
14 Fitness – Wahn à Sportler;
15 Berühmt und schön;
16 Beautywahn mit facelifting
Und nicht zuletzt eine der größten Versuchung – die Versuchung der Macht
17 Trump
Die Reihe der Beispiele, die wir nennen können ist endlos und ganz individuell, wir alle haben unsere ganz persönlichen Sehnsüchte und Schwachstellen.
Bei der Frage, wie diese Versuchung überhaupt entsteht oder in die Welt gekommen ist und in welcher Gestalt sie sich zeigt finden sich verschiedene Antworten – das Christentum hat sie in der Bibel gefunden und aufgeschrieben – drei Stellen seien hier genannt:
1 Adam und Eva - Urbild der Versuchung ist in der Geschichte von Adam und Eva und dem Paradiesgarten aufgeschrieben in Genesis 2. Leider hat die eindeutig verzerrte Darstellung die Kirche zu einem frauenfeindlichen Denken und Handel verführt, das sich bis heute in der Kirche und in Gesellschaften findet.
2 Deshalb finde ich diese Darstellung viel treffender, die deutlich zeigt: Adam und Eva haben sich gemeinsam verführen lassen und tragen gemeinsam die Verantwortung
3 Hiob Beispiel für jemanden, der standhaft allen Prüfungen und auch größtem Leid widerstanden hat. Es ist ein Stück – konstruierte- Weisheitsliteratur – Gott, der mit dem Versucher quasi eine Wette abschließt - aber die Haltung von Hiob „Derr Herr hat´s gegeben – der Herr hat´s genommen – gelobt ist der Name des Herrn“ war und ist beispielhaft für viele.
4 und schließlich ist selbst Jesus – obwohl Gott – vom Teufel in der Wüste verführt worden – Steine in Brot zu verwandeln – jeden Hunger zu besiegen, unsterblich zu sein oder alle Reiche und Macht der Welt zu beherrschen.
Die Versuchung Jesus steht ganz am Anfang seiner Geschichte, nach der Taufe und bevor er öffentlich auftritt. Da hat er der Versuchung noch kraftvoll und selbstgewiss widerstanden. Doch Versucher und Versuchung begleiten ihn bis zu seinem Ende, wie wir jetzt aus dem Joh-Ev hören.
Lesung Joh 13,21-30
Das mit der Versuchung scheint eine klare Sache zu sein, aber das Johannesevangelium zeigt uns, dass es komplizierter ist. In den anderen Evangelien ist Judas der Verräter, der aus Schwäche und Eigennutz handelt. Dieser Sündenbock ist Judas bei Johannes nicht – kein „Wehe dem, durch den der Menschensohn verraten wird“ – keine Selbstanklage, kein Selbstmord, der als Gerechtigkeit hingestellt wird. Jesus weiß genau, was er von Judas verlangt; es geht um alles oder nichts – um die Erfüllung des Heilsplans Gottes oder das Überlassen der Menschen in ewiger Schuld. Ohne die Tat von Judas funktioniert dieser Plan nicht. Jesus weiß das, er ist betrübt, erschüttert, am Ende ist Nacht –
„Was du tust – das tue bald“ – sagt Jesus; ein merkwürdiger Satz – könnte es sein, dass Jesus Angs davor hat, selbst der Versuchung zu erliegen, den leichteren Weg zu gehen, den, der ihm Leiden und qualvollen Tod erspart. Muss Judas es bald tun, damit Jesus keine Möglichkeit mehr hat IHN umzustimmen und für sich selbst ein anderes Schicksal zu wählen?
In dem Film „Die letzte Versuchung Christi“ gibt es eine Szene, in der sich Jesus mit Judas unterhält; und in dem Gespräch gesteht Jesus Judas, dass er IHN ausgesucht hat, weil nur ER, Judas, stark genug für diese Aufgabe ist; STARK! genug, um den Verrat auf sich zu nehmen, STARK genug, um zu tun, was nötig ist, weil sich nur so der Heilsplan Gottes erfüllt. Judas übernimmt Verantwortung – grausame Verantwortung, die ganz sicher schwer auf ihm gelastet hat, aber er ist bereit, das zu tun, was kein anderer Jünger tun will. Interessant: der Name Judas Iskariot heißt: der Mann von Krioth und „krioth“ kommt von dem hebr. Wort „kriah“ und bedeutet: Riss. Judas ist der Zerrissene, der Hin – und Hergerissene; schließlich wählt er den dunklen Weg und setzt sich allem aus, nimmt in Kauf ausgestoßen, stigmatisiert zu werden – um des Heils Willen.
Hätte die Kirche früher DIESEN Judas gesehen, anstatt es sich einfach zu machen, Judas als „ewigen Verräter-Juden“ zu brandmarken – wieviel Verfolgung, Leid und millionenfache Ermordung von Menschen jüdischen Glaubens hätte verhindert werden können. Aber dafür hätte die Kirche sich ihre Schuld eingestehen und Verantwortung übernehmen müssen.
Wir sehen - es geht bei der Versuchung um das große Ganze und es beginnt immer bei mir. Johannes führt uns mit seinem Text vor Augen, dass der Kern der Versuchung unser Innerstes ist, nicht Schokolade, Bier oder Handy, sondern meine eigene Zerrissenheit, meine Angst und Schwäche.
Es sind SOLCHE Versuchungen, die mich entlarven:
- die Versuchung, dass am liebsten alles so bleiben soll, wie es ist, anstatt mir einzugestehen, dass sich etwas ändern muss, dass ICH mich ändern muss
- die Versuchung, um des lieben Friedens willen immer wieder still zu sein
- das unangenehme Telefonat, das klärende Gespräch, das ich vor mir herschiebe, die Notlüge, die verhindert, dass ich ehrlich bin, auch wenn es verletzt
- anderen die Schuld in die Schuhe zu schieben, anstatt zu meinem eigenen Versagen zu stehen
- die Versuchung, es allen Recht machen zu wollen, aus Angst davor, nicht geliebt/gemocht zu werden
- aus Bequemlichkeit und Angst wegzusehen und den Mund zu halten, wenn jemand gemobbt, angefeindet, runtergemacht wird –
- die Liste ist unendlich lang, jede und jeder von uns wird ihr ganz persönliche, tief im Innersten angesiedelte Versuchungen und Verhaltensmuster hinzufügen können
- und fast immer geht es dabei – wie bei Jesus und Judas- um Schuld UND Verantwortung
- die wiegt schwer
- denn all DIESEN Versuchungen NICHT nachzugeben macht mich angreifbar, stellt mich bloß; es kann sein, dass ich Menschen dadurch verletze oder sogar zu verliere, dass ich aufzugebe, was mir lieb ist, und loslassen muss, was ich so gerne festhalten würde
- bin ich bereit, DIESE Verantwortung auf mich zu nehmen?
Klar ist in jedem Fall: wie ich mich auch entscheide, ich werde so oder so schuldig.
Aber Gott sei Dank muss die Schuld nicht alleine auf mir lasten; Jesus trägt sie mit.
Und auch Judas sei Dank, hat Jesus das Heil für uns erworben.
AMEN
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